Sie
liebt Rosen. Doch statt einen Strauß davon dekorativ in einer Vase zu
arrangieren, zupft sie lieber die Blütenblätter aus und versenkt diese ganz
vorsichtig in einem Fässchen voller Wasser. Denn was für andere nur ein schöner
Anblick ist, endet bei Quäschning als aromatischer Beitrag in ihrem
Rosenblütensekt.
Die Biologin findet auch an anderen Blüten Geschmack. An Hortensien zum
Beispiel oder Orchideen, Koreanische Minze oder Lavendel, Blaue Nachtkerze oder
Wilde Wicke. Wie Jean-Baptiste Grenouille, der finstere Held aus dem Roman „Das
Parfum", versucht sie, ihre Düfte einzufangen und als Extrakt, Sirup oder
Gelee zu konservieren. Der Rosenblütensekt ist ihre neue Kreation. Anja
Quäschning ist Gründerin und Inhaberin der Ersten Deutschen Blütensekt Manufaktur
in Wiesbaden.
Ein Strauß allein reicht nicht, gleich einen ganzen Korb voller Rosenblüten
braucht Quäschning, um ihnen das Aroma für eine einzige Flasche (0,375l) zu
entlocken. Es ist ein Sekt aus reiner Rosenblütenessenz, nicht aus Wein gemacht
und anschließend mit Sirup aromatisiert, sondern einzig und allein geprägt vom
natürlichen Geschmack der Blumen.
Was für normale Sektproduzenten der Weinberg, das ist für Anja Quäschning bei
der Lese das Blütenmeer der Bioland Rosenschule Ruf. Weiß, gelb, rosa und rot
in allen Schattierungen leuchtet es auf den Feldern im hessischen Hinterland
zwischen Steinfurth und Bad Nauheim. 80.000 Rosen auf sechs Hektar. Edelrosen,
Zwergrosen, Kletterrosen, Strauchrosen. „Roy Black" entfaltet dort seine
Pracht neben „Penelope", Leonardo da Vinci" neben „Robin Hood".
Nur drei Sorten pickt sich Quäschning aus dieser Vielfalt heraus: „Rosa
Rugosa", eine Wildrose mit „tiefgründigem Rosenduft, der in die Nase
steigt", und aus der Klasse der Historischen Rosen die zart florale „Rose
de Resht" und Damaszener Rosen wegen ihres lieblichen Dufts. Sie blühen
von Juni bis in den späten Herbst hinein gleich mehrmals.
Dann wandert die 39-Jährige jedes Mal von Strauch zu Strauch, schneidet die
Blütenköpfe ab, steckt sie vorsichtig in Säcke oder Körbe, um sie anschließend
gleich pflückfrisch weiterzuverarbeiten. Ihre Manufaktur liegt mitten in der
Wiesbadener Innenstadt. In das weiß gekalkte Kellergewölbe dringt kein
Tageslicht vor, um den zarten Blüten zu schaden. Angenehm kühl ist es, auch
mitten im Sommer. Dorthin bringt Quäschning' ihre tägliche Ernte, zupft
Blütenblatt für Blütenblatt heraus, streift kleine Käfer ab, entfernt Stängelchen
und Blätter.
Die Blüten füllt sie in kleine 20-Liter-Fässer aus Edelstahl und PE-Kunststoff
und gießt sie mit kaltem Quellwasser auf. Das heißt es warten - und ab und zu
mal schwenken. Mehr nicht. „Ich überrede sozusagen die Pflanzen, mir ihre
Aromen zu schenken."
Seit fast 20 Jahren ist Anja Quäschning eine Blütenflüsterin, wollte anfangs
nur ihre Kindheitserinnerungen an Omas Holunder-Blütensirup aufleben lassen,
musste jedoch mangels Rezept experimentieren. Und was hat sie nicht alles
angestellt: die Holunderblüten getrocknet, in Kuchenteig eingebacken, als Tee
aufgegossen - und am Ende vergoren und versektet. Ihr Holunderblütensekt „Fleur
pétillante" wurde sogar mit einem „Weinpreis" ausgezeichnet.
Quäschnings Sortiment an Blütenextrakten, -gewürzen, -gelees und -sirups
umfasst heute rund 30 verschiedene Sorten.
Der Rosenblütensekt ist nach dem „Fleur pétillante" jedoch erst der zweite
seiner Art. Wie lange der kalte Auszug dauert, hängt von der Dicke der
Blütenblätter ab. Es gibt großzügige Sorten wie Holunder, der schon in einigen
Wochen alles herausrückt, oder knauserige wie Orchideen, die sich monatelang
zieren. Von den Rosen ist die Rosa Rugosa die freigiebigste, weil ihre
Blütenblätter am dünnwandigsten sind. die üppigen Damaszener Rosen brauchen
dagegen ein paar Wochen mehr. Am Ende lässt Quäschning einfach die duftige
Essenz ablaufen, die verbleibenden Blüten werden nicht gepresst. Die bis auf
ein paar Blütenpollen klare Flüssigkeit wird auch nicht gefiltert, sondern
bekommt nur etwas Zitronen-säure zur Stabilisierung zugesetzt.
Anja Quäschning verschneidet ihre drei unterschiedlichen Rosenextrakte
anschließend so, dass sich die Intensität der Rosa Rugosa, die Zartheit der
Rose de Resht und die Lieblichkeit der Damaszener Rosen zu einem schmeichelhaft
floralen, nachhaltigen, aber nicht aufdringlichen Bukett vereinen. Zur
Vergärung gibt sie weißen Biozucker hinzu und Champagnerhefe, die den Zucker in
Alkohol umwandelt. Nach neun Wochen bei 15 bis 16 Grad Celsius ist die
Rosenblütenessenz wieder knochentrocken und hat einen Alkoholgehalt von elf Volumenprozent.
Ihre 2007er Ausbeute ließ die Wiesbadenerin beim Weingut Singer-Fischer im
rheinhessischen Ingelheim nach der traditionellen Flaschenmethode versekten.
Kirsch- oder Erdbeersekt habe er schon gemacht, sogar Eisweinsekt, aber
Rosenblütensekt - das ist auch für Winzer Klaus Singer-Fischer eine Premiere.
„Aber eigentlich ist es ja egal, woraus der Grundwein ,besteht, das Prinzip ist
immer das gleiche": Als sogenannte Tirage gibt er erneut eine Mischung aus
Zucker und Champagnerhefe dazu, füllt die alkoholisierte Rosenblüten-flüssigkeit
in Sekflaschen, verschließt sie mit Kronkorken und lässt sie zum zweiten Mal
gären, wobei die Kohlensäure diesmal nicht entweichen kann.
Sekt müsste jetzt neun Monate auf der Hefe reifen, um so möglichst viele
typisch autolytische Champagnernoten zu entwickeln wie Nuss oder Biskuit. Weil
der Rosenblütensekt jedoch keinem Weingesetz unterliegt und der florale
Charakter möglichst unverfälscht bleiben soll, ruht er nur vier bis sechs
Monate, um seine Kohlensäure als feine Perlage besser einzubinden. Nach weiteren
drei Wochen auf dem Rüttelpult, wo die Hefe sich in dem Flaschenhals absetzen
kann, wird er degorgiert - und mit einer Dosage vor dem endgültigen Verkorken
geschmacklich eingestellt. Für den Rosenblütensekt, der keine natürliche Säure
enthält wie ein herkömmlicher Sekt, bedeutet dies höchstens einen Hauch von
Süßwein, so Singer-Eischer, „um den floralen Charakter zu unterstutzen".
Auf keinen Fall dürfe er kitschig wirken, sagt Anja Quäschning. Sie empfiehlt
ihren Rosenblütensekt als extravaganten Aperitif. Deshalb hat sie ihn auch nur
in 0,375-Liter-Flaschen abgefüllt, insgesamt gibt es nur 198 davon. Sie kosten
den stolzen Preis von rund 98 Euro. Es stecken ja auch viele Sträuße Rosen
drin.
Deutsche Blütensekt Manufaktur, Lilienweg48 65201 Wiesbaden, Tel. (0611) 2 38
5800 www.bluetensekt.de
Drin, was draufsteht: Der Fleur pétillante Rose ist nicht aromatisiert, sondern
ausschließlich aus Rosenessenz hergestellt
Schmeckt mir, schmeckt mir nicht, schmeckt mir: Blütenblatt um Blütenblatt
zupft Quäschning aus den Rosen, legt sie in Wasser ein (oben links) und lasst
den Auszug anschließend vergären (oben rechts)
Deutsche Blütensekt Manufaktur Hof auf die Endlache - Außerhalb 12 D- 65468 Trebur | info@bluetensekt