Holundersirup kennen viele. Doch kaum jemand weiß, wie die Blüten der
japanischen Kirsche, der weißen Rotkastanie schmecken. Auch Gurke, Mohn,
Echinacea, Rose und Lavendel, Frauenmantel, Salbei oder Wilde Wicken lassen
sich verarbeiten. Anja Quäschning macht in der von ihr 2004 gegründeten
Deutschen Blütensekt Manufaktur etwas ganz Besonderes daraus: Sie stellt
Blütensekt und -sirup her. Heute produziert sie bereits fast vierzig Sorten.
Schon am frühen Morgen ist Anja Quäschning unterwegs. Ein Handwagen, Körbe,
eine zarte Frau sammelt Blüten von Feldern und Wiesen. Zusammen mit
kristallklarem Quellwasser ergeben frische, handgepflückte Blüten die Grundlage
für erlesenen Sekt, köstliche Blütensirups und feine Gelees, die weltweit
einzigartig sind. „Ich hatte auf einer Veranstaltung Gelegenheit, einen
Sternekoch kennen zu lernen und ihm meine Delikatessen vorzustellen. Er riet
mir zur Serienproduktion und wurde mein erster Geschäftskunde", erinnert
sich die Biologin. Die Deutsche Blütensekt Manufaktur ist das bislang einzige
Unternehmen, das sich im Nahrungsmittelbereich auf Blütenspezialisiert hat.
Dafür wurde die Diplom-Biologin 2005 mit dem „Hessischen Gründerpreis"
ausgezeichnet.
Biosiegel erkämpft, Sammelgenehmigungen erworben
Alle Produkte entstammen der eigenen Herstellung und schonenden Verarbeitung
nach strengen ökologischen Richtlinien. Ein Jahr lang kämpfte Anja Quäschning
darum, das Biosiegel zu bekommen und so auch in Landschaftsschutzgebieten
sammeln zu dürfen. Ob öffentliche Grünflächen, das Schifffahrtsamt oder
Naturschutzgebiete - die Sammelgenehmigungen liegen vor- und schon manche
städtische Gemeinde war mehr als verwundert, als die Biologin anfragte und sich
für die Blüten einer Kastanienallee interessierte…
Lediglich Fässer, Flaschen, Deckel, Etikettierpapier, Zitronensäure und Zucker
für die Haltbarmachung werden zugekauft.
Produktion nur mit hohem Arbeitsaufwand möglich
Nur die besten und schönsten Blüten und Dolden einer Pflanze werden einzeln von
Hand und mit Rücksicht auf den Bestand geerntet.
Die frischen Blüten werden meist vor Ort zunächst gewissenhaft verlesen und
dabei von Stielen und eventuell aufsitzenden Insekten befreit und die
abgezupften Einzelblüten in Sammelbehälter gegeben. “Ich ziehe die Blütchen
sogar von den Stängeln, ein hoher Arbeitsaufwand, der aber sicher stellt, dass
keine Gerbstoffe mit in den Sirup gelangen und die Qualität mindern", so
Anja Quäschning. Nach dem Einsammeln der Blüten wird Quellwasser des
Schläferskopfstollens oberhalb von Wiesbaden zugesetzt.
In einem rund 300 m2 großen Keilergewölbe stehen auf Holzregalen zwischen weiß
gekalkten Wänden die Fässer, Tanks und Boxen für Flaschen.
In einem speziellen Verfahren erfolgt ein kalter Blütenauszug im reinen
Quellwasser. Auf Erhitzen oder gar Kochen sowie Pressen der Blüten wird
gänzlich verzichtet. Die Blüten liegen einige Wochen bis Monate im Wasser.
Dünnwandige Blüten lagern kürzer, dickwandige länger.
An dem Verfahren selbst hat Anja Quäschning fünf Jahre gearbeitet. Es
gewährleistet, dass nur die zarte Essenz der Blüten ausgezogen wird, nicht zum
Beispiel Bitterstoffe aus den Stängeln, die den Geschmack verfälschen. Für ein
200-Liter-Fass Wasser braucht Quäschning bis zu mehrere hundert Kilo Blüten.
Nach dem Auszugsverfahren wird dem gewonnenen Extrakt Zitronensäure
hinzugefügt. In welchen Mengen und wie lange diese Mischung ziehen muss, ist
Teil des Betriebsgeheimnisses der Manufaktur. Im Anschluss daran gibt Zucker
dem Ganzen den letzten Schliff und macht den Sirup haltbar. Mittels eines kleinen
manuellen Abfüllgeräts wird in Flaschen abgefüllt, die zuvor auf dem Herd
sterilisiert wurden. Schrift, Design und Etikettendruck werden am heimischen PC
kreiert.
Die Wiesbadenerin macht alles selbst. “Eigentlich bin ich fünf Personen in
einer. Ich ernte, produziere, fülle ab. Im Winter widme ich mich dem Vertrieb,
der Vermarktung und dem Gewinn neuer Kunden. Zwischendurch suche ich stetig
nach neuen Blüten, die noch niemand verarbeitet hat. „Ein 16-Stunden-Tag ist
normal.“ Beklagen möchte sie sich dennoch nicht: „Ich wollte diesen Job, um
Teil der Natur sein zu können."
So gerät selbst der Teneriffa-Urlaub zur Ideenfindung: Eine Bananenplantage mit
ungenutzten Blüten wurde entdeckt, angesprochen und nun gibt es auch
Bananenblütensirup. „Sobald ich neue Blüten entdecke, überlege ich sofort, wie
ihr Geschmack wohl sein könnte."
Hauptprodukt „Blütensekt im Champagnerverfahren"
Das Hauptprodukt des Unternehmens ist der reine Blütensekt, der im
Champagnerverfahren von einer in der Region ansässigen biozertifizierten
Sektkellerei versektet wird.
An diesem reinen Holunderblütensekt, brut wie Champagner, habe ich elf Jahre
experimentiert, bis er so geworden ist, wie ich ihn haben wollte. Und das Beste
daran ist, dass selbst gestandene; Sommeliers und Leute, die sich wirklich
auskennen, ihn für absolut gleichwertig mit Champagner halten", gab die
Biologin preis.
Im Gegensatz zu den konventionellen Sekten wird der Grundwein einzig aus
Holunderblüten und gänzlich ohne Traube produziert. Zunächst gleicht das Verfahren
jenem für den Sirup. Zu den Blüten aber wird hier Champagnerhefe hinzu gegeben,
dann wiederum Biozucker, der zu zwölfprozentigem Alkohol vergoren wird.
Der Sekt und der Sirup können außer über den Einzelhandel auch im Internet
bestellt werden. Dort erwartet den Kunden zwar noch kein Bestellformular, doch
die Emailadresse ist hinterlegt und eigenhändig kümmert sich die
Firmeninhaberin nach Eingang auch um die Kundenwünsche und den Versand.
Heute beliefert Anja Quäschning die lokale Spitzengastronomie, regionale Wein-
und Bio-Läden sowie überregionale Sternerestaurants - und Umsatz sowie Erträge
entwickeln sich positiv: „Meine Produkte wurden sehr gut angenommen. Ob durch
die Domäne Mechtildshausen in Wiesbaden Erbenheim oder sogar von Käfer Feinkost
in München!"
Auch im Bekanntenkreis sind die Blüten-Delikatessen zu beliebten Mitbringseln
und Geschenken geworden.
Erntehelfer und Blüten ab Hof?
Um Erntehelfer bemüht sich Anja Quäschning nur bei den großen Beständen wie
Holunder, Kirsche.
Bisher bekommt sie leider nur wenige Blüten direkt vom Biobauern,
beispielsweise Lavendelrispen. Zupfen muss sie selbst…
Eine Ausnahme, die ausgebaut werden soll, aber überrechnet werden muss. So
bleibt es zunächst dabei, dass die Firmeninhaberin drei bis vier Tage in der
Woche draußen ist. „Vormittags erfolgt die Ernte. Nach acht bis neun Stunden
geht es nachmittags in die weitere Verarbeitung. Von März bis September ist
Erntezeit, danach werden die weiteren Arbeitsschritte erledigt."
Alles Erwirtschaftete wird direkt wieder eingesetzt. Das Unternehmen wurde ohne
Inanspruchnahme von Krediten gegründet. Lediglich private Hilfe wurde
Quäschning anfangs zuteil. So wurde die Firma in Etappen ausgebaut -und Träume
bleiben.
Eine Abfüllanlage würde unnötige Handarbeit ersetzen, ein automatischer
Verschließer das manuelle Zudrehen der Schraubverschlüsse und damit auch die
stete Sehnenscheidenentzündung eindämmen. „Auch ein Etikettier Gerät wäre etwas
Feines ..."
Kann man von der Manufaktur leben? „Muss man", lacht Anja Quäschning,
„denn für anderes bleibt wirklich keine Zeit."
Bild 1:Anja Quäschning: "Mit Anfang zwanzig habe ich begonnen für den
Eigenbedarf Holunderblütensirup herzustellen. Daraus wuchs die Firmenidee und
die Unternehmensgründung."
Bild 2: Die Ernte der feinen Blüten ist mit hohem Aufwand verbunden.
Deutsche Blütensekt Manufaktur Hof auf die Endlache - Außerhalb 12 D- 65468 Trebur | info@bluetensekt