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Die der Natur den Geschmack abtrotzt
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Die der Natur den Geschmack abtrotzt

Holunder, Gurke, Mohn, Rose und Lavendel - Sekt und Sirup daraus: Wie eine Biologin die Schöpfung abfüllt

Wiesbaden. Wenn sie so über den Maindamm läuft, Kostheim vor sich, Hochheim hinter sich, Naturschutzgebiet rundum, sieht sie aus wie eine verschrobene Figur aus einem Kinderbuch. Trägt ein freundliches Lächeln zum flatternden Rock, zieht einen Handwagen hinter sich her, auf dem blaue Netzkörbe stehen, Strohschalen und Plastikfässer. Irgendwann bleibt sie stehen, betrachtet einen Holunderstrauch und beginnt Dolden abzumachen, eine nach der anderen. Stundenlang wird das gehen, und wenn jemand fragt, was sie da tut, zeigt Anja Quäschning ihre Pflückerlaubnis. Wortlos am liebsten, „sonst kann ich ewig erzählen und schaffe mein Pensum nicht".

Zu dem gehört auch, die Blüten von den Stielen abzustreifen, zu verlesen und Häufchen für Häufchen der fingernagelkleinen, fedrig-leichten Gebilde zum Transport in die Fässer zu geben. Produktionsschritt Nummer eins in der „Deutschen Blütensekt Manufaktur". Gründerin, Inhaberin, so gut wie einzige Arbeitskraft ist die promovierte Biologin Quäschning.

Sommer, Sonne, Holunderschorle - am Anfang stand der Wunsch, Kindheitserinnerung einzufangen: „Ich wollte Sirup machen wie früher meine Oma, aber ich hatte kein Rezept", erzählt Anja Quäschning. Also experimentierte sie, bis sie ein Verfahren entwickelt hatte, das heute die Grundlage ihres Geschäftes ist und vereinfacht gesagt bedeutet: Man braucht Quellwasser und Blüten - „auf keinen Falle Stiele, das ist wichtig, weil in denen die ganzen Gerbstoffe sind, die den Geschmack verfälschen", später noch Zitronensaure und Zuckerlösung.

Arbeitsprinzip ist der sogenannte kalte Auszug: Die Blüten hegen, je nachdem, wie dickwandig ihre Blätter sind, sieben Tage bis neun Wochen in Wasser, ohne gepresst, ohne erhitzt zu werden. Was dann aus dem Fass abgelassen wird, ist der pure Blütenextrakt - mit Zuckerlösung versetzt, wird Sirup daraus. Den Extrakt kaufen vor allem Spitzenköche, die ihn dann selbst süffeln. Den Sirup können auch andere Geschmacksverliebte erwerben. Man kann ihn mit Wasser aufgießen und trinken, damit kochen oder ganz einfache Gerichte verfeinern, einen Gurkensalat etwa mit ein bisschen Gurkenblüten-Sirup.

300 Quadratmeter, weiß gekalkt, weiß gebeizte Holzregale, blaue Kunststoffboxen. Ein Keller am ruhigen Ende einer vielbefahrenen Innenstadtstraße in Wiesbaden ist Anja Quäschnings Abfüllort und Lager. Kühl ist es hier und feucht, ideal zur Aufbewahrung. Nur den (selbstentworfenen, selbst aufgeklebten) Etiketten tut das nicht gut, deshalb kommen die Flaschen in Kisten. Die sind wie Wundertüten, bergen Extrakte aus Esskastanienblüte, roter Kastanienblüte, Mohnblüte, Lavendel. Sirup aus Akazienblüte, Malven, Orchideen. Aus Sonnenhutblüte, Traubenblüte, Bananenblüte. „Ich kann nichts sehen in der Natur, ohne mir vorzustellen, ob und wie man den Geschmack einfangen kann", sagt Quäschning. Mehr als 30 Sorten bietet sie an, sämtlich biozertifiziert - eine auf dem deutschen Markt einmalige Vielfalt.

Gespeist wird sie nicht nur von Neugier, sondern auch von besessenem Qualitätsstreben, der Zeitaufwand ist immens. Für ein 200-Liter-Fass Wasser etwa, aus dem Sirup werden soll, braucht Quäschning bis zu mehrere hundert Kilogramm Blüten. Für bezahlte Erntehelfer reicht der Gewinn noch nicht. Immerhin hat sie unlängst eine Praktikantin eingestellt, manchmal helfen auch Freunde, wenn sie frei haben und an die frische Luft kommen möchten. „Ich wollte diesen Job ja auch, damit ich in der Natur bin. Und es sollte in Teilzeit zu bewältigen sein", sagt Quäschning, die mit einer Arbeit aus der Wahrnehmungsforschung promoviert wurde. Während sie daran schrieb, war sie Produktmanagerin bei einer Pharmafirma. Bekommen hat sie, als sie sich selbständig machte, einen Tag, der oft 16 Arbeitsstunden lang ist.

„Ich muss noch bekannter werden", sagt Quäschning, und welche Scheu sie davor habe, „meine Sachen anzupreisen, Sterneköchen zum Beispiel, das sind für mich solche Respektspersonen". Wo sie die Schüchternheit überwunden hat, hat sie nie andere als begeisterte Reaktionen erlebt; wenn irgendwo in einem sehr guten Restaurant der Region etwas mit blumigem Geschmack auf der Karte steht oder die Aromen der Natur in einem Gericht herausschmecken, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit Anja Quäschning geliefert. Gerd Eis, damals noch Chefkoch in der „Ente" in Wiesbaden, war ihr erster Kunde.

In manchen Lokalen, zum Beispiel auf Schloss Reinhartshausen in Eltville, kann man heute auch trinken, was Quäschnings ganz große Leidenschaft ist. Es ist das Produkt, das nach Zahlen das unwichtigste in ihrem Geschäft ist, an dem ihr Herz aber hängt und nach dem sie ihre Firma benannt hat: ein „Sekt" aus Holunderblüten, der keine Traube gesehen hat und dennoch viel von einem Spitzen-Champagner, ganz trocken, mit kräftigem Rückgrat. „Elf Jahre hat es gedauert, bis ich das hatte", sagt Quäschning, „immer mit ein paar Litern experimentiert". Nur ein paar hundert Flaschen gibt es von „Fleur pétillante" jeweils. Geizig darf man nicht sein, wenn man eine kaufen will, bekommt dafür eine absolute Rarität: „Phantastisch", sagt der Sommelier aus dem Rheingauer Schloss.

Zum Eintrinken in die Welt der Blüten taugen aber ebenso die Sirups, die es zum Beispiel in Wiesbaden in dem Wein- und Delikatessenladen der Sommelier Anke Fuchs gibt („Vinicus", Seerobenstraße). Manches kennt man ähnlich von anderen Anbietern, anderes ist richtig überraschend. Der Sirup aus der japanischen Kirschblüte etwa, die am Zweig nicht duftet; er riecht nach Marzipan und Kirschkompott und schmeckt nach Mandeln.

Foto: Sagt, sie sei von Blumen verzaubert: Anja Quäschning
Foto: Bei der Holunder-Ernte: Für die Produktion werden nur Blüten verwandt.



Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Zeitung für Deutschland, Ausgabe 25. Juni 2006, Nr. 25, Seite R1, Rubrik: Rhein-Main
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