Von der Produktmanagerin zur Aroma-Expertin:
Anja Quäschning hat sich mit einer Manufaktur für Schaumwein und Sirup
selbstständig gemacht
Gurke, Linde, Rose und Holunder: Die deutsche Blütensekt Manufaktur in
Wiesbaden stellt nicht nur Holundersekt, sondern auch 40 Sorten Sirup her.
Rezepte und Verfahren hat die Alleininhaberin und promovierte Biologin Anja
Quäschning erfunden.
WIESBADEN Man müsste im Sonnenschein mit einem Bast Korb über duftende Wiesen
laufen und Japanische Kirsche, Frauenmantel und Holunder sammeln. Danach die
Ernte auf einem Tisch ausbreiten und bedächtig Blüte für Blüte von den Stängeln
lösen, um daraus aromatische Extrakte herzustellen. Nicht ganz so romantisch,
aber zumindest ein bisschen so hatte es sich Anja Quäschning vorgestellt, als
sie noch Produktmanagerin bei einem Pharmaunternehmen war und davon träumte,
den Bürojob gegen ein eigenes Unternehmen einzutauschen.
Das Unternehmen gibt es inzwischen: Die „Deutsche Blütensektmanufaktur“. Ihr
Spitzenprodukt, ein Holundersekt nach Champagnerart gekeltert, steht in
hessischen Spitzenrestaurants auf der Weinkarte. Außerdem im Angebot: 40 Sorten
Blütensirup. Sirup ist eine Bezeichnung, die sie allerdings ungern hört, weil
das nach klebrigem Zuckersaft mit künstlichen Aromastoffen klingt. Anja
Quäschning verwendet nur ungespritzte Blüten und außer Holunder, Rose und Gurke
auch Banane, Frauenmantel, japanische Kirche und Lavendel.
Seit zwei Jahren ist sie selbstständig. Und es gehört tatsächlich zu ihrem
Arbeitsalltag, über Wiesen zu laufen und Blüten von Stängeln zu lösen. Das aber
stundenlang. Tagelang. Wochenlang. „Ich habe die Arbeit unterschätzt",
sagt sie. Ihr Tag hat mindestens zwölf Stunden, Wochenende gibt es nicht.
Das Blüten-Pulen beispielsweise, eine Arbeit die sehr viel Sorgfalt erfordert,
vertraut sie keinem Praktikanten an. Die Stängel sind bitter und würden das
Produkt verderben. Immerhin beschäftigt sie inzwischen Aushilfen, die ihr beim
Etikettieren und Sammeln helfen. Arbeitsplatz und Lagerraum ist ein alter
Gewölbekeller, den sie mit viel Glück für wenig Geld mieten konnte. Dort lagern
in Regalen blaue Plastikkästen voll mit Sirupflaschen - die Feuchtigkeit im
Keller würde die Etiketten angreifen. Bei aller Nüchternheit: „Die Arbeit ist
erfüllend", sagt sie. „Es ist ein schöpferischer Prozess".
Die Herstellungsverfahren hat sie selbst entwickelt. Ihre Großmutter machte
leckeren Holundersirup, starb aber, ohne ein Rezept zu hinterlassen. Die
Verwandtschaft erinnerte sich nur an zwei Dinge: Die Blüten wurden auf keinen
Fall gekocht, und die Stängel musste man auf jeden Fall aussortieren. Allein
für das Sektrezept brauchte Anja Quäschning elf Jahre. Das Grundrezept hat sie
beibehalten. Ihre Blüten werden nicht gekocht und tage- bis wochenlang in
reinem Quellwasser geschwenkt. Für die 40 Sirupsorten hat sie 400 Blüten
ausprobiert. Denn wenn etwas gut riecht, heißt das nicht, dass es auch
schmeckt. Einer der unangenehmsten Fehlversuche war Kapuzinerkresse:
„Grauenhaft, wie Lauch mit Zucker und Säure", sagt sie. Eine Überraschung
war dagegen die japanische Kirsche, deren Blüten nach Gras schmecken, als
Extrakt aber ein Aroma von Kirsche und Waldmeister haben.
Neben Privatkunden bestellen auch viele Köche Sirup und Extrakte, um sie für
Salate oder Süßspeisen zu verwenden. Der Renner ist Holunder, die teuerste
Sorte ist Mohnblüte. Der Verkauf läuft über Internet, Ebay und auf dem
Wiesbadener Wochenmarkt. 180 Flaschen werden pro Woche produziert. Der Sekt nur
in der kleinen Auflage von 150 Flaschen pro Jahr. Anja Quäschning lässt ihn von
einer Kelterei keltern. Demnächst will sie einen Rosensekt auf den Markt
bringen. Von dem erhofft sie sich steigende Umsätze, denn die reichen immer
noch gerade mal zum Überleben, weil die Produktion so arbeitsintensiv und
zeitaufwändig ist. Der Rosensekt wird der Knaller, hofft sie: Für
Heiratsanträge und andere Gelegenheiten.
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innovative Produkte entwickeln und auf den Markt bringen. Dabei sind es nicht
immer die Großen, die voran schreiten.
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